Die Türkei – ein Land, das wie kein anderes in Europa als Brücke anzusehen ist. Als Brücke und Mittler zwischen Kultur, Gesellschaft, Politik und auch Wirtschaft. Wie schrieb bereits Goethe: “Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.” – In Istanbul, der heimlichen Hauptstadt der Türkei und ehemals als Konstantinopel weltweit bekannt, wird das besonders augenfällig.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser, als Generalkonsul der Republik Türkei in München freue ich mich, Ihnen in dieser Ausgabe von “Linea Futura” die Türkei etwas näher vorstellen zu können. Alle wichtigen Punkte allein in diesem Artikel anzusprechen, ist so gut wie unmöglich. Ich hoffe, Ihnen dennoch einen kurzen Überblick geben zu können, Ihr Interesse an der Türkei zu wecken und vielleicht auch einen etwas anderen Zugang zur Türkei zu vermitteln. (Generalkonsul Ali Rifat Köksal)
Das Land
Die Türkei ist nicht gewöhnlich. Es ist ein Land, das vom Ägäischen Meer im Westen, dem Mittelmeer im Süden und dem Schwarzen Meer im Norden umgeben ist. Zudem erstreckt sich die Türkei über zwei Kontinente. 97 Prozent der Fläche nimmt dabei der asiatische Teil des türkischen Staatsgebietes ein, die anderen 3 Prozent gehören geografisch gesehen zu Europa. Ost und West – Orient und Okzident eben. Für Ali Rifat Köksal, den Generalkonsul der Türkei in München, ist sein Heimatland “nicht dort, wo sich Ost und West teilen, sondern dort, wo Ost und West zusammenkommen.”
Flächenmäßig ist die Türkei mehr als doppelt so groß wie Deutschland. Allerdings liegt die Bevölkerungsdichte mit gerade einmal knapp 88 Einwohnern pro Quadratkilometer weit unter der Deutschlands. Dies ändert sich je weiter man von Ost nach West blickt. Hier tut sich die einstige Hauptstadt des Oströmischen und Osmanischen Reiches, Istanbul, auf. Sie ist die Pulsader der Türkei. Die heimliche Hauptstadt nach der offiziellen Hauptstadt Ankara. In Istanbul leben knapp 13 Millionen Menschen. Sie allein stellen rund ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Republik Türkei. Der höchste Punkt des Landes ist der Gipfel des 5.137 Meter hohen Berges Ararat, auch “Großer Ararat” genannt. Er liegt im äußersten Osten, nahe der Grenzen zu Armenien und dem Iran.
Die Türkei ist eine gigantische Halbinsel, die sich auf einer Fläche von ca. 780.580 km2 erstreckt
DIE GESCHICHTE
Die Entwicklung beinhaltet unter anderem so massive Prägungen wie das Griechische und Römische Reich. Letzteres behielt die Überhand bis ins vierte Jahrhundert nach Christus. Einen Großteil der türkischen Geschichte nimmt das Osmanische Reich ab 1299 nach Christus ein. Die Osmanan eroberten im Jahre 1453 Konstantinopel, das
heutige Istanbul. Zerstört wurde das Osmanische Reich schließlich durch den Ersten Weltkrieg. Das Osmanische Reich – vor allem die Gebiete der heutigen Türkei – sollten nach dem Willen der Siegermächte Frankreich und Großbritannien regelrecht zerstückelt werden. Geplant war neben einem armenischen Staat in den östlichen Landesteilen auch eine autonome Region für Kurden – südlich und östlich des Euphrat. Gegen diese Pläne machte vor allem Mustafa Kemal Pascha mobil. Er organisierte ab dem 19. Mai 1919 den politischen und militärischen Widerstand und rief am 29. Oktober 1923 die Republik für die heutigen türkischen Gebiete aus. Die tiefgreifenden Reformen von Mustafa Kemal Pascha, der 1934 vom türkischen Parlament den Nachnamen “Atatürk” (Vater der Türken) verliehen bekam und erster Staatspräsident wurde, machten die Türkei zu einem modernen, sekulären und europa-orientierten Staat. So wurden unter anderem das Sultanat, Kalifat und die Sharia abgeschafft; Schleier für Frauen verboten, der Gregorianische Kalender sowie das metrische System eingeführt. Dazu kamen die Rechtssysteme aus europäischen Ländern; zum Beispiel wurde das Schweizer Zivilrecht und damit die Einehe mit einer Gleichstellung von Mann und Frau übernommen. Bereits 1930 wurde in der Türkei das aktive Frauenwahlrecht eingeführt. Sogenannte Ehrenmorde an Mädchen und Frauen werden gesetzlich jedoch erst seit 2004 als vorsätzlicher Mord mit lebenslangen Haftstrafen geahndet.
Zwei der Sieben Weltwunder der Antike liegen in der Türkei: der Tempel der Artemis und das Grab des Königs Mausolos II. zu Halikarnassos
DAS KLIMA
Rund um die Region des Schwarzen Meeres herrscht ganzjährig ein mildes, angenehmes Klima. Die Temperaturen liegen im Sommer durchschnittlich bei 20°, im Winter bei 6° Celsius. In den heißen Küstenregionen im Süden der Türkei ist vor allem die Türkische Riviera mit den beliebten Urlaubsorten Alanya und Side zu nennen. Im Sommer sind hier kaum Niederschläge zu erwarten. Vielmehr erweisen sich durchschnittlich 30° Celsius und die relativ hohe Luft für Mitteleuropäer schweißtreibend. Mit am angenehmsten gilt das Sommerklima im Ägäis-Gebiet. Die Temperaturen können mit denen im Süden des Landes zwar gut mithalten, allerdings ist die Luftfeuchtigkeit erheblich niedriger. In der Zentraltürkei herrscht ein kontinentales Klima. Weniger schön ist das Wetter oftmals im anatolischen Hochland. Vor allem im Winter ist diese Gegend von heftigen Schauern und frischen Temperaturen geprägt.
DAS ESSEN
Basierend auf der nomadischen Kochkunst der Turkvölker sind in die heutige türkische Küche viele Rezepte und Kochtraditionen der kurdischen, indischen, persischen und
islamisch-arabischen Welt eingeflossen; hinzu kommen typische Gerichte des Mittelmeerraums. Natürlich gelten für die Türkei, deren Bevölkerung zu 99 Prozent muslimisch ist, die Speisevorschriften des Islam. Auf den Punkt gebracht heißt es entweder: “halal”, also erlaubt, oder “haram”, verboten.
Gar undenkbar ist in der Türkei eine Mahlzeit, zu der kein Brot auf dem Tisch steht. Entweder eine Pide, ein dickeres, weiches Fladenbrot aus Hefeteig, oder das türkische Brot Ekmek, ein leichtes Weißbrot. Zu jeder Tageszeit gegessen werden Simit (Sesamkringel) oder Lahmacun. Die türkische Pizza besteht aus einem dünnen Fladenbrot, das mit Hackfleisch, feinghacktem Gemüse und Gewürzen zumeist in den Varianten “scharf” oder “normal” angeboten wird.
Bei den Getränken gibt es zwei, die jeder Türkeireisende kennen sollte. Zum einen: Ayran. Ein Joghurt-Getränk, das mit etwas Wasser verdünnt und leicht gesalzen äußerst erfrischend wirkt. Zum zweiten: Raki. Der etwa 45-prozentige Anisschnaps steht bei den Türken auf der Beliebtheitsskala als alkoholisches Getränk ganz weit oben. Raki wird in der Regel mit etwa 2 Drittel Wasser am Tisch “verdünnt”. Beim Verdünnen wechselt der Raki die Farbe und wird milchig. Deshalb gilt er im Volksmund als Löwenmilch. Aber auch Tee und Kaffee sind in der Türkei alltägliche Getränke. Sie haben eine eigene Geschichte: Als das Osmanische Reich zerschlagen wurde, verlor die Türkei den Kaffeelieferanten Jemen und damit das eigentliche Nationalgetränk – den Kaffee. Der Auftrag, nach Ersatz zu suchen, wurde vom türkischen Staatsgründer Atatürk ausgegeben. Er schickte seine Mannen los, um zu suchen. Fündig wurden sie an der feuchtwarmen Küste des Schwarzen Meeres; dort herrschen günstige Bedingungen zum Teeanbau. Inzwischen ist Tee das türkische Nationalgetränk. Das heißt aber nicht, dass der bekannte “Türkische Kaffee” nicht mehr lebt. Ganz im Gegenteil: Der typische Kaffee wird im Cezve, einem Kännchen, mit Stil zubereitet und serviert.
DIE WIRTSCHAFT
Die Türkei hat in den vergangenen Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Mit am deutlichsten zeigt das die Inflationsrate. Lag diese 1998 noch bei über 100 Prozent, so ist sie in den darauffolgenden Jahren auf derzeit etwa 10 Prozent gesunken. Im Großraum Istanbul beträgt das durchschnittliche Einkommen rund 41 Prozent dessen, was in den 15 alten EU-Staaten verdient wird. Komplett anders die Situation im überwiegend von der Landwirtschaft geprägten Osten des Landes: hier beträgt das Einkommen nur etwa 7 Prozent des EU-Durchschnitts. Das Ziel der Türkei ist ein schneller Beitritt zur Europäischen Union. “Ein unumstößlicher Wunsch”, sagt Ali Rifat Köksal. Für den türkischen Generalkonsul in München liegt es auf der Hand: “Die Veränderungen passieren immer schneller und schneller. Zugleich scheint es so, als würde die Welt immer kleiner und kleiner. Die Folge: Bereits kleine, unscheinbare Aktionen – und seien sie noch so weit weg – können globale Konsequenzen nach sich ziehen. Gegenseitiges Handeln, sowie die wechselseitigen Abhängigkeiten waren nie größer. An dieser Stelle auch ein herzliches Danke an die visionären Staatsmänner Europas. Nach vielen Jahren des Krieges hat sich der alte Kontinent Europa zu einer Union für Frieden, Stabilität und Freiheit gewandelt; einer Union, derer die Türkei gerne beitreten würde.”
Als möglicher Kandidat gilt die Türkei seit Dezember 1999. Was bis dato fehlt, ist ein konkreter Termin. Die Hausaufgaben jedenfalls werden erledigt. Die türkische Wirtschaft liegt weltweit gesehen auf dem 16. Platz. Einige Beispiele: Die Türkei ist Europas Nummer Eins im Textilsektor und Nummer Zwei in Sachen Flachglas. Hinsichtlich der Produktion frischer Früchte liegt sie weltweit auf Rang Fünf. 48 Prozent aller in der Türkei erzeugten Güter werden in die EU exportiert; die Importrate liegt bei 37 Prozent.
DIE POLITIK
Der Blick geht vom Osten her kommend in den Westen. Benachbart mit Staaten wie dem Iran oder Irak lassen die dortigen Probleme die Türkei nicht unberührt. Hinzu kommen Konfliktherde wie die autonome Kurdenregion im Irak, sowie das geteilte Zypern. Was die Mittelmeerinsel anbelangt, so erklärt der Generalkonsul der Republik Türkei in München, Ali Rifat Köksal, “die Türkei hat alles versucht, um dazu beizutragen, die Insel zu einer Insel des Friedens zu machen.” Fakt ist, die Teilung Zyperns in einen griechischen und einen türkischen Teil stellt weiterhin eines der ungelösten Probleme der EU dar. Für die Türkei hängt unter anderem die Zukunft der Beitrittsgespräche von einer erfolgreichen Lösung ab. Doch die scheint trotz erneuter Annäherungen auf politischer Ebene noch nicht greifbar. Ali Rifat Köksal, der einen EU-Beitritt der Türkei befürwortet, würde Europa gerne einflussreich im internationalen System sehen: „Anstatt nur zu reagieren, würden wir die Europäische Union viel lieber in einer aktiveren Position sehen. Die EU könnte globale Entwicklungen formen und einleiten. Immer geprägt von den demokratischen Werten wie Recht und Freiheit.”
INSIDE SPECIALS
Egal wonach einem ist, die Türkei hat für jeden etwas zu bieten. Für Strandliebhaber und Segelfreunde ist die südliche Mittelmeerküste ein Paradies. Die bekanntesten Urlaubsorte sind Antalya und Alanya. Bekannt für seine Buchten, Inseln und Strände ist Fethiye. Dort in der Nähe, genauer in Myra, steht die Kirche des Nikolaus. Hobby-Altertums-Forscher kommen in den zahlreichen Museen, die konzentriert in Istanbul vorzufinden sind, auf ihre Kosten. Mit als bestes Beispiel dient der Topkapi Sarayi. Er war das Verwaltungszentrum des Osmanischen Reiches sowie Wohn- und Regierungssitz der Sultane. Als Museum beherbergt er Sammlungen von Porzellan, Porträts, Gewänder, Juwelen und islamische Reliquien, wie Waffen Mohammeds, seine angeblichen Barthaare oder eines der ältesten Koranexemplare.
Kern der türkischen Lebensweise ist der bezaubernde Zusammenhalt von Ost und West
Örtlich gleich gegenüber angesiedelt ist die Hagia Sophia. Die ehemalige Hauptkirche des byzantinischen Reiches war zwischenzeitlich Hauptmoschee der Osmanen und ist heute als Museum der Öffentlichkeit zugänglich. Ein weiterer Kultur-Touristenmagnet: die antike Metropole Ephesos. Ebenfalls im tiefen Altertum angesiedelt ist die Stadt Troja im Nordwesten des Landes. Alle touristischen Highlights aufzuführen würde den Rahmen sprengen. Allein Istanbul gilt als Schmelztigel sämtlicher Richtungen und Prägungen. Egal ob Jung oder Alt. Hier findet Jeder das für ihn passende; sei es beim Bummeln durch die Basare, beim Pide-Essen um die Ecke, bei einem Abstecher in die Blaue Moschee, bei einer Bootstour auf dem
Bosporus, beim Besuch eines Fußball-Spiels der Turkcell Süper Lig oder im rasanten Nacht-leben der Stadt, die Asien und Europa durch die Fatih-Sultan-Mehmet-Brücke verbindet.
Text: Raimund Bacher
DIE TÜRKEI IN DEUTSCHLAND
In Deutschland gibt es eine Botschaft der Republik Türkei. Sie befindet sich in Berlin-Mitte in der Rungestraße 9 und ist, so wie die insgesamt 13 Generalkonsulate (Berlin, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Karlsruhe, Mainz, München, Münster, Nürnberg, Stuttgart), von Montag bis Freitag täglich geöffnet. Hinzu kommen drei Honorarkonsulate in Aachen, Bremen und Regensburg.
Ausführliche Informationen bei Fragen unter:
http://berlin.emb.mfa.gov.tr/
www.goturkey.com
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